Der Likanas Verlag für Mnemotechnik

 

präsentiert

in Zusammenarbeit mit

Simon Waßermann

 

 

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Mata Hari

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Szenen aus dem Leben einer Vielverkannten

 

In Fortsetzungen zu je 100 Stellen erzählt

 

 

 

( aber ungeeignet für J < 18 )

 

 

 

 

Mata Hari

 

 

 

März 1905  Unter dem Namen Mata Hari debutiert im Musée Guimet eine Tänzerin und versetzt Paris in Entzücken. „Ein indisches Tempelkind !“

Die 28 jährige Margaretha Geertruida Zelle aus Leeuwarden spricht viele Sprachen und kennt sich aus in der Welt, nicht zuletzt im Hinduismus, dem sie innerlich zuneigt. Ihre Darbietung, die sie ganz allein aus ihrer eigenen Imagination heraus gestaltet hat, macht verborgenste Sehnsüchte sichtbar. Eine erotisch-religiöse Komposition, eine verwirrende Bewegung aus Sehnsucht und Liebe, aus Wehmut und Wahnsinn. Ja, unsere Heldin weiß, wie man es anstellt, wenn es darum geht, Phantasie zu entfachen. Sie selbst ist ja nichts als Phantasie. 

Matahari ist ein malayisches Wort und bedeutet  „Sonne“ oder vielmehr „untergehende Sonne“, noch genauer „Auge der Dämmerung“. Das Photo zeigt im Hintergrund ein Sonnensymbol, es zeigt auch, wie die Tänzerin einen Kreis andeutet. Von Bedeutung ist, daß Mata Hari in jener Anfangszeit gelegentlich auch Matahari oder auch Ma` tahari geschrieben wurde, denn es erhärtet die Meinung, daß diese erstaunliche Frau mit dem Kreis auch zugleich an die Kreiszahl π und die Näherung π = 3,14 dachte, ist doch in dem damals jedem Gebildeten wohlbekannten Zifferncode des Franzosen Aimé Paris   m = 3,  t = 1 und  r = 4,  so daß   Ma` tahari  =  3` 14  =  3,14. Schauen Sie das Photo daraufhin noch einmal kritisch und mit der Lupe an, Sie werden unschwer das π-Symbol entdecken.

Nun gelang es mir vor einiger Zeit, eine Visitenkarte der Mata Hari zu erwerben. Das Stück stammt aus dem Jahre 1907 und wurde zusammen mit alten Postkarten und Autographen auf einer Versteigerung angeboten. Auf bläulichem Papier steht in kursiver Schrift der Name Ma`ta Hari del Pincio. Ein etwas schlüpfrig gezeichneter Obelisk an der oberen rechten Ecke läßt keinen Zweifel daran, daß  der Pincio gemeint ist, jener wunderbare Hügel Roms, dessen Blick über die Villa Borghese und die Piazza del Popolo ihn fast so eindrucksvoll macht wie das Kapitol selbst. In der römischen Kaiserzeit, so darf man sich erinnern, wurde er sogar eine Zeitlang zu den sieben klassischen Hügeln der Stadt hinzugezählt. Ein charmanter Hochstapler, würde ich sagen, so recht passend zu meiner Heldin. Nun ist nach dem soeben angedeuteten Zifferncode des Aimé Paris  Ma`ta Hari del Pincio = m` t r d l p n ch = 3,1415926 eine Annäherung der Kreiszahl π auf sieben Nachkommastellen, eine Annäherung, die sich sehen läßt. Ich überlasse es dem Leser, die Siebenzahl, die ja gewiß kein Zufall sein wird, näher zu erwägen; auch sie ist auf dem Photo gut zu erkennen.

 

 

 

 

„Das Photo“:  Mata Hari bei ihrem Debut am 13. März 1905 in Paris

 

Mata Hari in stage costume at Guimet Museum in Paris, 1905

 

 

 

 

 

 

 

 

 

Noch zwei Bilder der Mata Hari, auf denen der Kreis und das π-Zeichen eine offensichtliche Rolle spielen !

 

 

 

 

 

 

 

Im ersten Weltkrieg wurde Mata Hari zur Spionin. Und wieder entzündete sich die männliche Phantasie an dieser Frau, zu ihrem Unglück schließlich auf tödliche Weise. Am 15. Oktober 1917 wurde sie in Paris als angebliche deutsche Spionin standrechtlich erschossen. Seitdem haben sich die Phantasien hinsichtlich der wahren Mata Hari nie wieder beruhigt, im Gegenteil !

 

Das historische Photo ihrer Erschießung

 

 

 

 

 

Unsere Geschichte der  Mata Hari  beginnt irgendwann  im ersten Weltkrieg in einem Hotelzimmer in Bonn. Es ist Juli...

 

 

 

 

 

 

Mata Hari  in ihrem Hotelzimmer in Bonn, es ist Juli. „Du lieber Himmel, ich habe Fieber.“ Sie nippt an der Caipirinha und zieht einen Monokel aus ihrem Muff. Der ist aus Hirschfell. „Eine Injektion in den Arm, so macht`s die Mafia, - und ein Amen.“ Noch eine Caipirinha. „Aus dem Elsaß kommt ein Hinweis, daß Wurst und Tabak rationiert werden. Mein Gott, wohin soll das noch führen!“ Sie öffnet das Schiebefenster und sieht einen Möbelwagen aus Böhmen den Hügel herauffahren. „Eine Autostraße wie für Elefanten haben die Nationalisten gebaut. Pygmäen sollen ihnen dabei geholfen haben, den Räubern.“ Sie fällt erschöpft auf den Rohrstuhl. Ihre Leber schmerzt, denn bald ist Neumond. Mit dem Zeigefinger kratzt sie an ihrer Hüfte, wo die Schramme sitzt, die sie sich mit einer Sicherheitsnadel im letzten November, es fiel schon Schnee, auf dem Sofa ihres Papas zugezogen. Jede Woche schmiert sie Niveacreme drauf, was jetzt im Sommer angenehm kühlt. Und plötzlich: „Die Revolution in einem einzigen Anlauf wird den Mördern ein Ende bereiten. Mit dem Taktstock will ich sie ins Zuchthaus prügeln.“ Noch eine Caipirinha.

 

Da klopft`s und  Wendehals schaut durch die Tür, der Fez steht ihm gut. „Komm rein, mein Voyeur.“ „Ludendorff schickt mich, der sitzt in Mainz und will zu Weihnacht eine Mousse au Chocolat aus Ajaccio, sonst macht er Harakiri mit seinem Säbel.“ Wendehals stellt eine Amphore neben den Rohrstuhl und es duftet nach Jasmin. „Willst uns die Polizei auf den Hals locken? Das könnt ja einen Löwen töten.“ „Kommt aus Nanking“, sagt Wendehals ungerührt, „gilt dort als Medizin. Den König der Lombarden hat es gar von der Lepra geheilt. Jetzt geht es ihm wieder gut, abgesehen von seinem alten Herz, das an Fettsucht krankt und ihn zum Invaliden stempelt. An die Riviera hat er sich zurückgezogen, zusammen mit seinem Teddy, den er übrigens Dick nennt.“ „Ich habe das auch schon gehört“, sagt Mata Hari, „aber immer noch fährt er im Rolls-Royce, er denkt wohl, er sei der Sonnenkönig. Auf den Friedhof gehört er, zu den Tausendfüßlern oder zu den Engeln.“ Schon versöhnt reicht Mata Hari ihm eine der Austern auf einem Bambustablett. „Auf das Volk und auf den Endsieg. Düsenfahrzeuge müsste es geben, wie Lilienthal sie gezeichnet hat. Von Lappland bis Jerusalem würde Recht & Ordnung einziehen.“ Mata Hari, die früher einmal Nonne war und sich dann in einem Bordell wiederfand, spürt ihr Fieber, wie es hochsteigt. Eine Allergie gegen Baumwolle zwingt sie in Samtkleider. Die Wut sitzt ihr im Bauch.

 

Da klopft`s schon wieder. „Ehrhard, Infanterist von der Veddel. Bringe den Säbel fürs Gulasch. Hätt gern etwas Haschisch. Liebknecht läßt grüßen.“ „Eine Memme, welch Horror. Hier hast Du etwas Jod, das genügt für dich Infanterist. Auf den Rücken geschmiert wirkt es wie Lachgas. Rufus der Nomade wußte dies schon. Auch Magengeschwüre verdampfen, zumal, wenn es mit Fischmehl versetzt wird. “  „Mein Kopf, Madame, er ist wie Gelee. Ein Nahkampf im Tunnel. Ein Stoß auf die Basis. Ein Bett tät mir gut.“ Mata Hari läßt sich nicht erweichen. „Mach eine Rolle, Du Scherge. Die Welt ist groß, geh doch nach Tschechien, Du Bandit. Maria und Jesus, ein Mord wird geschehn, wenn ich noch eine Woche Dir zuhören müßt.“ Aber schon besinnt sie sich und nimmt eine Dose, die ihr Roald Amundsen einst schenkte, streicht sie voll Rama, zeigt ihm die Inschrift und verschließt sie mit einer Schraube. „Nach Finnland bring es, dort kennt man das Thema. Unser Mabuse wird’s mit Majoran fein würzen. Einen Sack voll Nachricht wird er Dir dafür geben. Dann ruf  Hosiannah“ und komm her zu mir. Der Raub eines Dreadnought wär so möglich. Selbst die Türken, beim Donner, sind mit im Komplott.“

 

Ehrhard nimmt`s und geht. Er sieht noch Kandinski auf dem Roller hereinfahrn. „Ein Fick, oh Susanne, das wär jetzt nicht schlecht.“ „Zuerst gewinn mir im Schachspiel und sag mir das Zeichen.“ „Matt! und Lilienthals Waffe, so hebt sich mein Taktstock. Es lebe die Revolution!“  Die Hüfte der Mata ist ihm ein Höllenwahn. Sein Speichel bringt sie zum Niesen. Ein Bächlein ins Näpfchen am Nabel, ein Einlauf aus Rußland. Pattex als Götterspeise? Ein Öl-Meer als Scherz? Moschus im Kaffee, der schmeckt wie ein Punsch. „Liebe im Sommer,“ sagt Mata, und Wendehals: „Scheiße!“ und denkt an Strychnin und Dumdum. Da erklingt plötzlich Musik. Lambada im Zelt. Eine Revue aus Venedig. Die Zieharmonika führt. Das Schachspiel ist schon vergessen. Die Ulanen sind nah. Damen als Ware, Touristen im Jeep. „Helden des Bieres; das Hotel voller Titten,“ sagt Kandinski. Und Mata: „Jesus, mein Parfüm!“

 

Als plötzlich ihre Mama als Säule ihr erscheint, den andern nicht sichtbar, und spricht: „Mein Kind. Ein Küsschen gib mir. Was, riechst Du nach Moschus? Auch Alkohol merk ich. Die Liebe macht blind! Den Leib ihm versag doch. Der Depp ist ein Lump. Sein Speichel, Du Nutte, nach Fisch riecht er gar. Einen Tod auf dem Kompost wünsch ich dem Fettsack.“ „Nimmst Du schon wieder Opium, Du Naschkatz?“ fragt besorgt sie Kandinski. „Der Tod in Ägypten und nicht in der Heimat“ singen Soldaten jetzt gern. „Der Tod auf dem Feld“, sagt Mata Hari, „die Revolution der Skelette. Das Röhricht im Schnee. Magie aus der Bibel.“ „Viel Schnee fiel jüngst in Kroatien, wirft Wendehals ein, der Balkan braucht Jacken.“ „Der Moloch des Tohuwabohu ist wie ein Wolf,“ sagt dazu Kandinski und setzt sich ans Klavier. „Mein Engel“, so singt er, „wo bleibt mein Honorar?“ Mata Hari spürt schon wieder das Fieber und hört gar nicht hin. „Ein Tänzchen als Engel. Sein Pimmel aus Watte.“ Wehmut befällt sie. „Aus Stahl müßt er sein, meine Täubchen, meine Erben D`Annunzios.“

 

Picasso kommt herein und erblickt schon die Mama. „Als Gioconda könnt ich dich nicht malen, nur als Mama im Schnee, im Röhricht voll Eisschwamm und Leichen drumrum. Chardin war ein Meister, gegen mich nur ein Wicht.“ Picasso, der als Sanitäter kommt, bemerkt erst jetzt die andern. „Meine Dame, Ihr Parfüm riecht nach Aprikose, ich kenn`s von Jamaika, Apollinaire benutzte es auch.“ „Die Neandertaler kannten es bereits“, sagt Kandinski, der sich über den Picasso recht ärgert und sich wegen seiner Erektion ziemlich schämt. „Sie haben damit ihre Tapeten gekleistert, so, wie man es heute in Sachsen noch tut,“ setzt er hinzu. „Sie sind also bei den Sanitätern?“ fragt Mata Hari, indem sie sich von Kandinski abwendet, „sind Sie denn Doktor? Wo habe Sie studiert?“  „Im Biwak in der Scheiße. Dort lernt ich die Praxis der Magie. Hinter Sandsäcken ohne Guckloch lagen Soldaten voller Amöben, auch Inder in Ketten. Aus Kaschmirs Nebel, aus Madras Geschäften. Klumpfüße mit Nummernschildern. Und Würmer en masse.“ „Halt ein“, sagt Mata Hari, „das reicht, hier nimm die Schokolade.“ „Nein nein, das ist für die Revolution“, sagt Wendehals, „die Devisen sind knapp und die Rache ist heiß.“ „Na gut, dann gib ihm halt ein bisschen Kuchen, davon haben wir just eine Schubkarre voll bekommen.“ „Aber nein, das soll doch nach Rußland, dort warten die Helden am Mahnmahl.“

 

Susi vom Zollamt, sie leidet an Schwindsucht, hat alles belauscht. Den Tanz mit der Kette durchs Rolleau angeschaut. Jetzt bringt sie Nachricht, Militär marschiert auf der Chaussee und ist bald hier: „Vandalen in Khaki gekleidet, mit Wolfsmilch gezogen.“ „Aha“, sagt Picasso, „Kacke und Dampf, Urin und Chlor, schon hab ich die Khakifarbe gemischt. Ich kannte da mal eine Fabrik.“  „Scheißkerl!“ unterbricht ihn Kandinski, „schweig still, die Botin soll sprechen.“ Und Susi: „Die Kommunisten von Jamaika liegen in Ketten. Hier ist eine Quittung von Hagenbeck, der will sie auf seinem Tore, was sag ich, im Schaufenster, als Horrorshow setzen. Und Spitzbärte sollen sie tragen.“ „Einer von ihnen heißt Stalin, unter seinen Ahnen sind Räuber. Limericks setzt er auf die Armen. Ein Student der Rache. Ein Lehrer des Bolschewismus. In einer Volksversammlung nahm er das Megaphon und rief zu den Tosenden: Für das Elsaß  gebt keine Kopeke. Onanie treibt Kapp, wenn er namens der Schweizer fordert, daß es von Bonn aus regiert wird.“ „Eine Lawine von Pannen seh ich voraus, bis zum Himmel schreit`s“ sagt dazu Mata Hari.

 

Ernst Jünger tritt auf, dem Stalin verhaßt, er selbst noch ein Bubi. Leichen aber und Todesmut kennt er. Seine Handgranaten und Nebelwerfer wiegen Zentner. Ein Diplom der Jesuiten besitzt er im Fechten. Ja, im Fechten ein Riese, ein Mörder. „Ich bringe Erde für deine Hüfte, mein Liebling. Eine Wette mit dem Major aus Annaberg um einen Kugelschreiber.“ „Mein Orakel, mein Herkules“, so Mata Hari, „kein Gott könnt es besser.“ „Dazu etwas Moos und ein Popel, mein Schatz, schon heilt`s.“ Ein Lied erklingt vom Wiking, wie er zu Sägemehl die Inder zerhackt. Der Dame gefällt`s, dem Räuber zumal. Popel und Popen reimt er auf Baum. „Mein MG schießt auch im Nebel die Kavallerie in den Sarg. Eine Bibel aus Leder macht dem Soldat mit der Pickelhaube frohen Mut. Der Kummer des Infanteristen aus Deutschland ist sein Säbel im Schmutz. Zum Teufel mit Liebknecht!“

 

Das war zu viel. Leo Slezak, der, im Anorak, gerade hereinschaut, empfiehlt ihm geschwind eine Rollkur „In Berlin bei den Liliputanern, das ist wie im Märchen. Aus Japan die Seife, vom Amazonas der Nachtisch. Eine Ehrenrettung der Ulanen, die bei Neumond die Seife mit Anilin stets neu färben. Meine Mammi pflegte im Rohrstuhl sitzend ihrer Schwester Luise, die an Malaria krankte, auch den Nachtisch gar sehr zu empfehlen. „Zum Dieb könnt man werden, mein Mädchen.“ So zog sie ein Toffee aus einem Futteral, das einst in Göttingen sie kaufte, mit Seide bespannt.“ „Ach, wenn es doch wenigstens noch Süßstoff gäbe“, sagt Kandinski, „im Simplizissimus steht, daß die Damen der Kaffern auf Mofas zum Kilimandscharo fahren, um dort Napfkuchen zu schlemmern. Bei uns aber gibt es die ganze Woche nur wenige Löffel voll Kleie. Ach, meine Mammi buk damals einen Nußkuchen für die Familie, mit Fett und einer schönen Rinde. Schaut her, ich habe eine Zeichnung in meinem Tagebuch. Sie ist in Texas entstanden, als ich dort Koch war in einem Schuppen. Die Trapper wollten Kompott mit Zimt.“

 

„Ich heiße Hilbert und bringe die Pfannkuchen“, so spricht, neu eintretend, unser Hilbert, „sie kommen aus Elmshorn und sind mit Rhabarber. Ich bring auch Servietten, von Invaliden in Köln neu gefertigt. Euler, der in Schweden die Geometrie der Deduktion neu erfand, indem er Leibnizens Lichtdeutung mit aufnahm, hinterließ den Hinweis nach einem Schmaus unter Pfaffen mit Anna Amalia von Sachsen-Anhalt: Aus Elmshorn müssen sie kommen und mit Kaffee ist es der Klimax.“ „Oh nein“, unterbricht ihn Ernst Jünger, „dafür braucht man schon Opium, das weiß ich.“ „Kein Gold könnt das kaufen“, sagt Mata, „und Tobsucht oder Leukämie wären die Quittung, ein allgemeines Tohuwabohu fürwahr.“ „Der Algorithmus der Quadratzahl, auf meinem Zollstock verankert“, sagt Hilbert mit einer Miene der Tugend, „beweist die Tendenz, daß die Naschlust gefährlich.“ „Ein Witz aus der Hochschule der Dummen!“ hört man nun Kandinski, “mit Sesam gefüllte Täubchen wärn für meine Eingeweide der beste Wegweiser.“ „An den Hochschulen“, so Hilbert, „ da weiß man, daß die Deduktion der Tabellen, mit Liebe betrieben, eine Subordination der Antiteilchen ...“ Er kommt aber nicht weiter, denn plötzlich fällt ihm eine Schere aus der Nase und er gerät so in Tobsucht, daß Mata Hari, deren Fieber plötzlich fort ist, alle alle hinauswirft.

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

Ganz allein begab sich Mata Hari nunmehr zu dem Amphitheater, das man nahe dem Spital für eine Lohengrinaufführung gebaut und wunderschön mit Lack gestrichen. Ihr Instinkt, nein ihre Autosuggestion sagte ihr, daß sie dort den einen oder anderen Schlauberger finden würde, den sie für die Revolution dann „als Laufburschen oder als Schamanen oder als Engel“ benutzen könnte. „Vivaldi wär mir lieber“, sagt sie halblaut und bekommt einen Schluckauf. „Schnell ein Pumpernickel, das weiß ich aus Schottland. Dort auf den Almen füttert man damit die Möwen. Leider hab ich aber keins da, nur ein Toffee mit Nougat. Nachher bekomm ich wieder Bauchweh wie am letzten Weihnachten in Moskau. Eine Mazurka und ein Typ wie ein Lindwurm, er hieß wohl Semjonow und trug einen Helm aus Stahl und einen Phallus aus Nappa, ―wie ein Schwamm ging`s mir da.“ Mata Hari denkt an die Bibel, in der sie ihre Leica versteckt hat. „Eine Kammer wie diese, kein Schnüffler wird sie mir finden.“ An einem Nylonfaden kann sie die Bibel heimlich öffnen, so photographiert sie die Artillerie, die vor dem Amphitheater eine Batterie hat und denkt: „Oh ihr Narren! Eure Pickelhauben gehören nach Entenhausen. Aber das Khaki gefällt mir. Im Lohengrin wird der Fummel eine Rekompensation sein für das Bett, in dem ich so viel lieber wär, einem Mate-Tee mein Leid zu klagen.“

 

Da begegnet ihr Lola, in Kairo berühmt, ein Pfläumchen aus Kandis, eine Rundung wie ein Rolls-Royce, auch in Rio de Janeiro war sie nicht gerade unbekannt, wo sie im Latzhöschen ihren Schabernack trieb, mit Lupinen geschmückt, den Lesben eine Phantasie. „Ich mime hier im Ballett den Mimir, dessen Tod von einem Schwanengesang begleitet einen schwierigen Hechtsprung aufs Kanapee verlangt. Ja, ich bin eine Queen.“ „Sie sieht immer noch aus wie eine Lolita“ denkt Mata Hari, „aber sie soll doch nach meiner Pfeife tanzen, denn ich bin der Boss.“ Und laut: „Und was macht die Kohle?“ „Na ja, wir werden dann alle zum Spargelessen geladen, das ist wie in einer Familie. Ich möchte aber eine Wette darauf setzen, daß es dir auch nicht besser geht.“  Mata Hari hat genug. „Ich muß jetzt aufs Klo. Das Hirschragout war zu viel, der Mokka zu reichlich, die Räucherstäbchen zu intensiv. Auch die Rhabarberpfannkuchen sind mir nicht bekommen. Ich hab schon fast alle meinem Mops gegeben, als Medizin gegen Bandwurm.“ „Verdammt, denkt sie, die sieht ja aus wie eine Lilie, am liebsten hätt ich von ihr eine Zeichnung.“ Lola denkt an das Surrogat, mit dem sie heute die Sauce versetzt. Auch sie leidet am Bandwurm, ihre Kacke scheint aus Stahl. Sie ahnt die Schikane und denkt an den Tod. „Ein Mops frisst Sesambrötchen! Das ist der Beweis, daß die Revolution die einzige Hoffnung von Russland bis Dänemark. “

 

Kaum ist Mata Hari wieder allein, erspäht sie Walter Rathenau, der zusammen mit seiner Familie und einigen Juden und Jesuiten und Militärs vor einem Ascheimer steht. Auch Kaiserjäger sieht man mit ihrem Kochgeschirr. Die Jesuiten allerdings trinken aus Tassen und tragen Röckchen. „Meine Autosuggestion sagt mir, daß Sie vom Teufel geschickt sind. Das geht ja zu wie im Taubenschlag.“  Und: „Was hör ich? Ein Ehrenmahl aus Blei, beleuchtet durch Öl-Lampen in Bacharach für unsern Theobald von Bethmann-Hollweg? Was? Und sein Wappen soll mit dem Reichsadler verziert werden? Ein übles Geschäft. Als Quittung wünsch ich ihnen den Amoklauf von Hereros oder Berbern, oder besser gleich die Revolution.“ Da sieht sie, daß Walter Rathenau eine künstliche Nelke aus Aluminium oder Gips mit Kaugummi am Rücken seines Nachbarn anklebt, worauf das Opfer, oh Gaudi, im Zorn wie im Zirkus zum Klo läuft und „Mord“ schreit. „Ein kleiner Scherz“, sagt Walter Rathenau. Und Mata Hari denkt: „Sieh mal an, der Walter, er bewegt die Schnüffler und Zwockel wie im Zirkus, wie auf dem Schachbrett. Die Farbe der Nelke war die des Hibiskus. Schopenhauer beschrieb sie in seinem Europa des Tintoretto.“

 

„Baumann, gestatten, daß ich Sie so einfach anspreche. Wir trafen uns unlängst auf der Modenschau.“ Und, wie Mata Hari ihn erstaunt anschaut: „Major Baumann, vom Kaukasus zurück, wo wir gegen Asien kämpfen. Heißen Sie nicht Eva Braun und kannten Fips den Affen? Im Hotel gab es damals recht viele Inder und Serben. Für Geld ertragen die Inder ja alles, sogar den Schnee. Aber als Soldaten, da lob ich die Japaner, viel tapfrer sind sie selbst als die Tschechen und besonders im Sandsturm. Die Russen auch kämpfen wie Löwen. Mit Samthandschuhen kann man sie nicht packen. Mit Wattejacken kamen sie und Lassos. In Topform, sag ich, ist ihr Militär. Nur ein Idiot kann glauben, sie seien in einem einzigen Anlauf zu besiegen.“ „Mamma mia“, sagt Mata Hari, „das ist ja zum Weinen. Unsre Armee voller Eiszapfen. Wenn nur der Himmel einen Lafayette uns brächte, das Geschick der Russen zu besiegeln.“ „Und kennen wir uns nicht aus dem Norden von Krakau, wo einst der  dortige Bischof eine Orgie veranstaltete und alle Mannequins als Schmetterlinge kamen, um schließlich im Bett wie eine Horde von Popos, aber von Engeln, die Nacht bis zur Zermattung durchzu---, sie wissen schon? Ich brauchte hernach eine Injektion in meinen eigenen Popo. Die gab mir eine Nonne aus Koblenz...“

 

Er kam nicht weiter, denn plötzlich erblickte Mata Hari  Jacqueline, ihre alte Feindin aus Melbourne mit einem Röckchen aus Watte und Schmuck aus Jasmin. Eine Spionin der Amerikaner oder eigentlich der Texaner, mit einem Inder liiert, nannte sich wohl auch mal Geraldine, sprach fließend Dänisch und besaß ein Diplom als Pianistin. Kaum erblickt sie Mata Hari, da kommt sie auf Rollschuhn daher, und: “Was ist denn das für ein Wicht, was sind das für Moden! Die Läuse, so seh ich, marschieren dem Mistkerl wie Infanteristen über den Schädel. Ich bin zwar deine Feindin, weil du Picasso mir ausgespannt, meine Rolle als Lolita beendend.“ Sie gibt damit Mata Hari ein Küsschen und zieht sie an ihrer Jacke hinweg „von dem Reptil.“ „Deine Rollschuh, meine liebe Jacqueline“, so Mata Hari, „sind recht sympathisch. Besitzt Du auch eine Waffe?“ „Ich hab einen Löffel mit einem kleinen Schieber, das hält jeder Nachprüfung stand. Ich versteck ihn im Popo, nur beim Lachen tut er weh. Eine richtige Pistole, die würde man merken. Nur Bohnen darf ich nicht essen.“ „Du bist eine Künstlerin“, sagt Mata Hari, „dem Toscanini zu vergleichen. Die Gabe der Kalypso macht Dich zu einer Spionin fürs Museum, Du Napoleon der Lolitas.“

 

Da begegnen sie  Hamann, dem Todfeind der Schulkinder, einem Mörder, einem Räuber, er riecht nach Fäkalien, eine Nase wie ein Neger. Er sieht sie und denkt ein Hallali und „Ein Bauchtanz wär keine Sünde. Diese Muschis mit Ravioli, das wär so eine Sache zum Schlemmern.“  Der Räuber sieht die Beute, und Tobsucht bewegt ihn. Er fühlt seine Waffe in der Tiefe seines Morgenmantels versteckt, den er als Kapuzenmann trägt. „Wie Kakerlaken will ich euch quetschen, wie Halme euch knicken. Eure Leichen dann nach dem Schmaus mit der Schubkarre zum Wasser hinfahrn, den Kraken als Nachtisch.“ „Ich weiß nicht, wie es dir gerade geht“, sagt Mata Hari zu Jacqueline, „ich hab eine Allergie gegen jenen Analbeutel, komm, mein Engel, laß uns den Wicht mit einem schnellen Anlauf verlassen, husch husch, jene Leiter hinan. Unsre Fehde sei vergessen, Friede sei unser Diktat. Sie schauen zurück und sehen Hamann, wie er sie mit einer Leica anpeilt und Rache  schwört. „Vor eine Kanone sollte man ihn binden.“ „Nein, am Fieber soll er sterben.“ „Nach Sibirien sollt er.“ „Auf einen Kaktus würd ich ihn binden.“ „Mit Kokain würd ich ihn vollstopfen.“ So sprechen die zwei Engel und kaufen sich einen Pampelmusensaft aus Westindien mit Süßstoff.

 

Wittgenstein bekommt einen Schreck, er sieht zwei Hexen und weiß nicht gleich, ob es sich um eine Satire handelt oder um Realität. Unruhe überkommt ihn und sein Abitur fällt ihm ein, „jene Panne, die mich dazu brachte, nach Texas auswandern zu wollen“. Da entdeckt er an der einen den Monokel, der bewegt sich im Takt ihrer Hände auf dem Rücken der anderen. „Eine Künstlerin wie im Himmel. Die Zeit steht mir still. Welch wundersame Rötung, Auroren vergleichbar. Von ihrem Typ hab ich im Kampfe zwischen Leichen geträumt. Die Philosophie der Raffinesse, die wir Deutschen von Thomas von Aquin und den Juden gelernt und über den Atlantik getragen, macht mir doch Kummer. Ich bin Lohengrin und dort steht Lola Montez und hat eine Hand wie eine Mamba auf ihrem Rücken. Aber wo ist denn die Logik, ich weiß keinen Rat. Die Frage, die in der Oper verboten, weil der Schwan keinen Arm, ist auch mir hier verwehrt. Der Philosoph kann den Namen des Monokels nicht deuten. Seine Impotenz gleicht der des Artus, sein Ruhm dem des Mimir.“

 

Harold Lloyd, der schon lange hinter seinem Rücken stand, ein Kichern unterdrückend, holt jetzt eine Narrenkappe aus der Tasche, mit Fischen bestickt, und nimmt einen Anlauf zur Diva wie ein Büffel oder ein Hammel. „Beim Jupiter, welch Raffinesse“, denkt Wittgenstein, „was meine Lola Montez, diese Schönheit wohl tun wird  mit diesem Spanner, diesem Pinscher?“ Aber Harold: „Meine Täubchen, meine Nönnchen, ich komme aus Indien und bin euer Freier. Englands Nelson trug dieses Halsband aus Nylon, es kommt aus dem Orient.“ Und Mata: „ Aus Loch Ness, wolltst du wohl sagen.“ Und zu Jacqueline: „Mir wär eine Veuve Cliquot schon lieber.“ Und schon flitzt Harold in die Küche, um eine zu holen, fällt aber über eine Kette: „Dürft es auch Kapwein sein?“ „Ja, aber vergiß nicht die Servietten, die Oper ist kein Jazzclub. Wir sind hier in Deutschland.“ „Der Lahmarsch“, denkt Wittgenstein, „dazu passt jetzt Richard Wagners Schwanengesang oder Zarathustras Bewusstsein, da bin ich ein Fachmann.“ Aber Harold: „Oh ihr Engel, euren Namen müßt ihr mir noch verraten, ich bin nämlich von der Inquisition.“ „Im Bett nennt man mich Goofie, du Schießbudenfigur. Aber warte hier ein kleines Weilchen, wir kommen gleich wieder.“ Und zu Jacqueline: „Mein Kopf dröhnt wie eine Ramme, wir Vamps haben es schwer.“

 

Winnetou, mit einem Käppi und einer Jacke voller Bakterien, möchte gern das Schachspiel erlernen, denn er hat darüber, daß er dies kann, eine Wette um eine Haarlocke geschlossen. Das war in einem Restaurant in South Carolina mit einem Bleichgesicht namens Humphrey und einem Kiowa, einem Schamanen namens Jason. Jetzt rast ihm der Puls, denn die Suche nach Weisheit macht ihm schon Runzeln. Schnell ein Anlauf zu den beiden Dünnen, bevor der Lohengrin beginnt. Wie Salzsäulen stehen die beiden. „Nanu, ein Komantsche hier in Bonn? Und er trägt einen Revolver.“ „Ich bin ein Apatsche und euch Zwillingen biet ich die Heirat. Für eine Neuvermählung habe ich bereits einen Reif, er zeigt einen Fisch und  Nschotschi trug ihn in der Prairie. Sein Licht ist wie das des Nordsterns, denn er ist aus Topas aus der Scholle der Navajos, durch die List einer Nonne erstanden.“ „Bist nur ein Indianer, eine Züchtigung tät dir gut“, so Mata, Und zu Jacqueline: „Der verdient keine Achtung, zum Teufel mit dem Schmarotzer.“

 

Sacher-Masoch, mit einer Krone aus Ahorn, bringt Kaffee und Schnaps und Nesquick und Himbeereis auf einem Tablett. Ein Europäer auf Rollschuhn, aus Sorge um seine Göttin, deren Name ihm heilig. Er träumt von einem Katheter, mit Maggi gewürzt. Im Wuschelkopf des Apatschen, den er für einen Spitzel aus Liechtenstein hält, erkennt er eine Muschel, deren Aroma ihn schon wieder an das Katheter gemahnt. „Im Bett wie ein König der Wichser, oh Rausch des Kokain.“ Vor Schreck vor sich selber bekommt Sacher-Masoch einen Schluckauf. Winnetou gibt ihm sein Kalumet, denn er durchschaut seinen Kummer. „Wir Apatschen, du Narr, wir kennen die Damen, denn wir kennen den Webervogel, der auf seinem Zweiglein im Schilfe die Familie umsorgt. Meine Nschotschi fiel in ein Ur-Loch, das war in Puebla. Sie war eine Elfe unter den Damen. Die Impotenz trieb mich hernach in die Sierra. Ach, gib mir doch endlich mal einen Kaffee. Hast du auch Sanddorn?“  Laß mich nur erst das Kalumet rauchen. In der Pause bring ich auch noch ein paar Spezereien.“

 

 

 

 

 

 

Mata Hari ist derweil ganz allein in die Bierbar, den Schleichern entronnen. Ihr Geschlecht ist ihr lästig, sie braucht eine Rast. Zwar gibt’s hier keinen Kaffee, aber ein Pils tut es auch, zumal wenn er aus Dänemark. „Ein Choppi ist für den Arsch.“  Dem Vamp kommt zum Bewusstsein, daß eine Melodie aus Honolulu sich auf „Pils“ und „Kuß“ reimt. „Das Bewusstsein von Honolulu“, so singt sie halblaut vor sich hin. Da sieht sie an der Wand eine Nische mit einer Höhensonne und es kommt ihr vor, als sähe sie darinnen einen Lindwurm. Ihre Nerven sind schwach, ihr Fieber ist hoch und ihr Herz rast. Und da sieht sie tatsächlich eine Kakerlake aus der Nische heraus über ein Gitter verschwinden. „Die Oper beginnt!“ ruft ein Kavallerist. Die Nachricht kommt spät, denn schon hört man das Vorspiel, eine ferne Phantasie wie von einer Hochzeit voller Tragik des Geschickes. Auf Papier schreibt Mata in Spiralen und auf Sanskrit in der Schrift der Azteken über jene Maschine des Mabuse, die das Ruhrgebiet bedroht. Macchiavell verstünd sich kaum besser auf den Realismus wie sie. Die Lampen im Saal sind schon aus, Mata Hari entwirft eine Zeichnung für eine Wunderwaffe aus Samt.

 

Hörbiger, der hier als Schneider arbeitet und sich aus dem Lohengrin nicht viel macht, weil er seinen Realismus nicht versteht, sitzt an der Theke und denkt an Europa und das Imperium der Bajonette. „Hölderlins Reime auf den Traum der Nibelungen erscheinen mir jetzt wie ein Witz. Eine Epidemie der Besessenheit öffnet die Schleusen für alle Banditen.“ Mata Hari, die dies gehört: „Man braucht kein Hellseher zu sein, um zu erkennen, daß die Bomben und Kanonen die Not in einem Schub wie mit einer Schraube, was sag ich, wie in einem Hechtsprung zu unermesslichem Leide vergrößern. Leukämie in den Spitälern; die Philosophie der Vampire spricht vom Fegefeuer der Ratten.“ „Unsere Soldaten“, so Hörbiger, „haben oft Pickel. Die Pfaffen reden von Liebe, vom Leben nach dem Tode, das ist doch nur Kacke“ – und denkt „ihre Nippel sind wie Hügel, als Europäer bekomm ich da Fieber.“ Und Mata Hari: “Seien Sie doch kein Masochist und kommen Sie an meinen Tisch. Der Tag ist noch lang und die Lampe noch hell. Der Bandwurm von Ouvertüre ist auch noch längst nicht vorbei. Sie ist wie die Schweiz, uns Damen ein Feind.“

 

„Schweitzer, und ich komme aus der Schweiz.“ Albert Schweitzer, der so plötzlich neben ihnen sitzt, hat beträchtlich Muffensausen und der Schweiß rinnt ihm unter dem Barett hervor, denn er glaubte zunächst, einen Engel zu sehen und bekam einen Krampf, als er nun diesen Talmi hörte. Von solchen Lippen gesprochen, schien ihm die Optik gestört. „Die Welt der Liebe, von Honolulu bis Narvik, auch mit der Lupe betrachtet, ist ein Element unsrer Blindheit. Aus dem Barock gibt es eine Motette zum Zorne der Bibel über die Kunst der Lenden, sie passt aber gar nicht zu Richard Wagners Vision der Freiheit des Leibes. Ich liebe die Fuge, sie ist mir ein Anker. Seit Moscheles,  oh Horror, und Schubert ist es mit der Elfenmusik aus. Die Revue triumphiert. Eine Schule sollte man aus diesem Amphitheater machen, oder eine Moschee, das wär mein Kommando.“ „Sie hat die Schönheit einer Nonne“,  so denkt er, „eine Schande, daß Jesus so fern ist“.  Und Mata Hari: „Sie erinnern mich an meinen Papa, denn er hatte dieselbe Tonalität. Er liebte Rachmaninow und Sophokles und Solon. Aber Rimsky Korsakow war sein Favorit.“

 

Rimski Korsakow, der sich als Baske ausgab und eine Rolle im Tannhäuser im Ruhrgebiet hatte, taucht urplötzlich auf, gleich einem Dämon. Er hatte sich im Schlot versteckt, ein Räuber der Küche, so sieht er aus wie ein Neger. In seiner Faust eine Kopeke, aus dem Kaukasus gebracht, um sie in Taler zu tauschen. „Ich arbeite an einer Echo-Oper, die in Transsylvanien spielt, mit Melodien für Babies und mit Geigen im Satz. Tannhäusers Beschwörung ist dagegen ein alter Zopf. Übrigens, spendiert ihr nicht mal ein Bier für mich alten Rüden? Ein Choppi täts auch. Es lebe die Revolution.“ Mata Hari, die noch an die Schweiz denkt: „Hier nimm diesen Lolli als Hilfe. Die Revolution in Russland wird sein wie ein Schmaus. Wie Lämmer auf einer Ranch, so schrieb schon Nostradamus in einer Annonce, werden die Löwen der Infanterie unserer Revolution die Faschisten verspeisen.“ „Eine Revolution?“ fragt erstaunt Albert Schweitzer, „da muß ich aber schnell zurück ins Hotel zu meiner Frau.“    „Die Leichtigkeit, mit der er davonstürmt, ist die eines Sandflohs. Ihm fehlt der Wille zur Sache.“

 

Dies sprach Stalin, der den Schweitzer gut kannte, aber nicht mochte. Und so betrat er die Arena mit Gummistiefeln, falschem Bart, frisch her aus London. Die ganze Nacht hindurch hatte er bei Kerzenschein hinten in einem Jagdflugzeug falsche Schecks ausgefüllt, um Waffen zu kaufen für die Polen. Besonders die Null fiel ihm schwer, denn sie hat ja kein Ende. Jetzt ist er in dem Amphitheater gelandet, wohl um Lenin zu treffen. Eine Nelke aus Rubin schmückt seinen Pullover. Er will Rache und ist ein Schachspieler, ein Künstler der Quittung; sein Name ein Beweis. Ein Schreck durchfährt wie ein Licht alle Leiber. „Ihr Juden aus Deutschland, Ihr Hammel der Revolution, der Faschismus ist nur ein Name, seine Soldaten werden zertreten wie Kakerlaken.“ „Wie ein Irrlicht im Schirokko dringt er in mein Bewusstsein, er ist ein Symbol“, denkt Rimski Korsakow und dreht an seinem Lolli. „Wie ein Bumms der Schamanen oder ein Ariel aller Schweizer,“ denkt Hörbiger, der sich wieder an die Theke begeben hat, sich einen Rum einzuschenken, und zwar mit Energie in eine Teetasse. Aber schon ist Stalin wieder verschwunden, es bleibt nur seine Nelke.

 

Hitler auf Socken kommt von der Chaussee und verlangt einen Schoppen. Er trägt noch den Rucksack und will so zur Oper. Kaum sieht er die Lady, da ahnt er den Spitzel. „Du Schlange. Mit dem Bajonett wollt ich die Spitzel der Russen erstechen.“ „Aber sieh doch, diese Nelke erweist mich als Nonne, auch eine Waffe hab ich nicht, nicht einmal eine Gabel. Möge Gott dir den Zweifel nehmen, der sonst wie ein Bumerang auf dich zurückfällt. Aber hört nur die Trompeten, ich glaub, ich muß nun schnell in meine Loge, den Schoppen spendier ich.“ Sie ist jetzt ganz Dame. Nur der Schweiß in ihrer Jacke passt nicht zu der „Nonne“. Rimski Korsakow jedoch kennt keine Feigheit: „Die Revolution der Bauern und Soldaten gegen die Jesuiten hat in Odessa den Adel nach Samos vertrieben. Ich selbst hielt die Wache.“ Und Hitler: “Da braucht`s einen Diktator, einen Bonaparte, einen Fachmann aus dem Westen.“ „Nur keine Panik“, ereifert sich Rimski, „die Sowjets werden der Kirche mit der Guillotine ihre Suppe versalzen. Die Diktatur in dieser Offenheit wär ein schlechtes Erbe. Du machst mir Muffensausen wie eine Lawine.“

 

„Ich heiße Pius und  komme aus Spanien. Mein Gott, bin ich hier unter Räubern?“ Und zu Mata Hari: „Nimm doch meinen Spazierstock und meine Jacke, meine Liebe, und meine Flöte. Einen Nachtisch, meine Dame, aus Gelee ab liebsten und mit etwas Heilerde gegen meine Pickel. Der Vatican baut eine Fabrik für Medaillen und Nippes. Ach ja, und einen Kaffee, das ist gut für den Haarwuchs.“ Und denkt: “Diese Nutte, dies Schäfchen, ihre Nippel sind der Beweis, daß auch in der Oper ein Fick wie mit meinen Nonnen wohl zuträglich.“ Und Mata Hari ganz leise zu Hitler: „der Schlingel von Pfaffe, in den Zirkus gehört er. Sein Fall ist das Geld.“ Aber Hitler voll Schreck, denn er mag keine Zoten: „Mein Ehrenwort, wenn ich der Kaiser wär, ich forderte Rekompensation für das Gold, das für Lollis ihr Damen in meinem Namen verbraucht.“ Pius rückt an seinem Käppi und verschwindet im Schrank, während ganz plötzlich die Trompeten und der Heldentenor des Lohengrin wie durch Magie alle in einen Rausch versetzen. Da hört Mata Hari ganz leis ihren Namen auf Rumänisch und verschwindet im Schrank.

 

Lehar, von der Infanterie befreit wegen Hohlfuß und Ruhr und schwachem Rücken, eine Ballade über die Naschlust der Elfen komponierend, kommt herein und verlangt eine Schokolade „wie in einem Feenmärchen in einer Tasse.“ Aber der Heldentenor und die Trompeten machen so viel Dampf, daß er die Lyrik vergisst und in ein Koma verfällt. „Alkohol hilft, nur eine Ampulle“, sagt Hörbiger,  „wenn bloß der Lohengrin net so laut wär. Kommt, legen wir den Lehar auf eine Matte. Wo ist denn die Dame geblieben?“ „Mein Ehrenwort als Katholik“, sagt Hitler, „sie ist wohl beim Schachspiel.“ „Ich glaub, sie schaut sich wohl eher Die Zauberflöte an,“ sagt Rimski. „Wo bin ich, fragt Lehar, „ist denn noch kein Ende dieser Melodie? Ich brauch einen Bischof und meine Blase tut weh.“ „Das ist keine Masche“, sagt Rimski, „die Trompeten bewegen den Urin in der Blase gen Norden. Etwas Wurst und ein Bommerlunder werden dem braven Katholiken nicht schaden.“ Aber Lehar: „Ich bin doch kein Fakir. Ich brauch eine Tüte, oder besser einen ganzen Stapel. Wo ist denn die Reling? Die Küche und meine Allergie, das passt nicht zusammen, ich vertrag keinen Zimt. Der Leib tut mir weh. Meine Zunge ist wie eine Kuppel.“  „Ich sag`s ja“, sagt Rimski Korsakow, „er braucht einen Bommerlunder, das hab ich im Ruhrgebiet gelernt.“

 

„Wie gerufen erscheint Semmelweis, er kommt aus der Kirche, seine Nase vom Sake getönt. Medizin für Soldaten, das ist sein Gewerbe, nun ist er in seinem Element. Mit Besonnenheit legt er sein Eichenkreuz ab. „Gab es schon Tuberkulose in der Familie? Fäkalien in der Röhre? Kopfweh nach dem Suff?“ Schon beginnt er, den Rücken Lehars mit Franz-Brandwein einzureiben. „Das hilft gegen Fieber und Schwäche“, sagt Hitler dazu, „meine Mama machte das auch bei mir, aber ohne Ende.“ „Er hat die Ruhr“ sagt Rimski Korsakow, „der Alkohol hilft.“ „Aber nicht gegen Dummheit, Sie Wichtigtuer“, sagt Semmelweis dazu, und: „ich brauch eine Waage. Kann vielleicht jemand dem Heldentenor dieser Oper ausrichten, daß seine Melodie eine Sache, die nicht für einen Rambo gedacht ist. Es fehlt ihm an Tiefe.“ „Eine Reling, oh Mutter, oder von Beethoven eine Serenade.“ „Er bekommt schon wieder etwas Farbe, eine Wette, daß er`s  schafft. Hört, der Satz ist gleich vorbei.“ Aber Semmelweis: „Seine Lymphknoten haben ein Ekzem. Ein Schatten von Rauch kommt aus ihm heraus. Ich brauch jetzt einen Whisky und einen Scheck, ihr Räuber. Sonst verfall ich in Tobsucht, zum Henker.“

 

Wittgenstein (er sucht seine Pietà) kommt mit einem Dobermann und verlangt ein Gabelfrühstück „für mich und meinen Mops.“ Ob man vielleicht eine Polin gesehen? Mit einer schönen Nase wie eine Jüdin? Euridiken verwandt? Wittgenstein beginnt eine Beschwörung wie ein Schamane, er ahnt nicht die Ironie. „Ein Fakir war ihr Lehrer, eine Uhr-Urne ihr Zeichen. Sie vergaß ihre Armbanduhr in der Kirche, das Lederarmband trägt keinen Namen, ist aber leicht wie eine Feder.“ „Nur keine Panik“, sagt Semmelweis, „ich bin hier der Doktor. Ihre weite Pupille deutet auf ein getrübtes Bewusstsein. Und hat Ihr Mops denn ein Attest gegen Tollwut? Sie suchen als pietà eine Polin oder Jüdin, leicht wie eine Feder? Im Archiv von Köln gibt es einen Tresor, dort sind Nachrichten über die pietà nach Namen mit Biographien verzeichnet, ebenso ist es in Reval. Aber hier in der Oper weiß ich nicht weiter. Hier gibt es einfach zu viele Spione, getarnt als Sekretäre, gespickt mit Devisen.“ ―Da kommt aus dem Schrank ein Perser mit Namen Adebar: „Wo geht’s hier nach Schottland...?“

 

 

 

 

 

 

 

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Ganz allein auf eine Lichtung hat sich Mata Hari gerettet. Sie trägt ein Cape. Irrlichter tanzen in der Nässe. Wasser tropft aus ihrem Pullover. „Einen Trockner hätt ich jetzt gerne.“ Eine Schildkröte bewegt sich über den Lößboden. „Du Neunmalkluge unter den Höllentieren, Du Methusalem unter den Scheusalen. Das Amphitheater musst ich verlassen wegen der Wut der Beamten. Ein Standgericht, mein Ehrenwort, hätt mir mit einem Säbel den Magen aufschlitzen lassen, welch Schande für eine Dame. Ach hätt ich doch wenigstens einen Kaffee.“ Mata Hari hält die Öl-Lampe etwas höher, um nach ihrem Pulli zu schauen, der ein Schachbrettmuster trägt. Im Amphitheater war ihr schon etwas Pampelmusensaft aus dem Cocktailglas draufgespritzt. Auf dem Weg hat sie auch noch einen Zwanzigmarkschein verloren, der liegt jetzt irgendwo im Moos. Vergeblich hat sie ihre Mappe durchwühlt, die Suche war umsonst. „Meine Biographie führte mich nach Bonn, aber, welch ein Zickzack, welch eine Komödie. Mir bleibt das Recht eines Kindes, einer Eintagsfliege: die Hoffnung.“ Mit gewohnter Leichtigkeit zieht sie jetzt ihre nassen Nylonstrümpfe aus und macht Pipi, wobei sie an den Scheich denken muß, den sie im Hotel kennen gelernt hat und dessen Stengel so penetrant nach Urin roch. „Ach, wär ich doch jetzt in meinem warmen Hotel.“

 

Semmelweis, wie er merkte, daß Mata Hari sich entfernt hatte, machte sich sofort auf die Suche. „Ein Witz, dieses Amphitheater, ein Horror.“ So lässt er sein Cocktailglas stehen und sucht ganz allein die Mörderin durch das Lärchenwäldchen, das sich damals vor Bonn ausbreitete. Die Sonne ging schon langsam unter, die Chaussee, die durch das Lärchenwäldchen verlief, erschien dem Touristen Semmelweis recht einsam. „Ob es hier vielleicht noch wilde Schoschonen gibt?“ Tatsächlich war in Semmelweis die Liebe entbrannt, verursacht durch die Nylonstrümpfe Mata Haris, deren Netzmuster in ihm das Tier erregt hatte. „Meine Biographie führte mich schon vom Ruhrgebiet nach Nowgorod, von Los Angeles bis Guam. Aber solche Nylonstrümpfe verspürt ich noch nie, sie erinnern mich an meine Taufe.“ Semmelweis war jetzt recht euphorisch und sang „Ich bin ein Schoschone und wandre auf der Chaussee.“ Die Sonne ging nun wirklich unter, die Dämmerung kam ihm vor wie eine Narkose. „Ob sie wirklich eine Mörderin ist?“ Plötzlich sah er einen Zwanzigmarkschein an einem kleinen Pfad, der an einer Bushaltestelle abzweigte und in welchen Semmelweis deshalb sofort einbog. „Dank dir, Gott, nun brauche ich mir keine Sorgen mehr zu machen.“ So setzt sich Semmelweis unter einen Wachholderstrauch und schreibt in seine „Mama“, so nennt er sein Tagebuch, daß die Mörderin ihren Schrecken verloren habe und daß er hinter jenem Bächlein bereits eine Lady erspähen könne. Er hatte aber nur ein Irrlicht missdeutet, das auf den Himbeeren leuchtete. Seiner Seele entrang sich ein Gebet, und so stand er vor einer Scheune, aus der kam ein Schein und ein Schwanengesang  und ein Lachen.

 

Thusnelda war eine Slawin und eine Lesbe. Ihre Hüfte war so eine Sache zum Schlemmern. Den Weg am Bächlein mit seinen Pappeln ging sie bei jedem Wetter, denn dort stand ihr Ascheimer. Thusnelda eigen war ein kleiner aber sichtbarer Heiligenschein, den hatte der verliebte Semmelweis gesehen. Wie jetzt der Regen begann, ging Thusnelda hinaus in den Matsch, ihm entgegen. „Ich komme vom Amphitheater und habe viel auf dem Herzen.“ „Du folgst einem Höllenwahn, ein Lockvogel aus Transsylvanien verführte deinen Leib. Ich geb dir ein Destillat aus Niveacreme und Bockmist, das vertreibt dir die Sache. Komm, der Rat einer Riesin ist besser als der Tod.“ „Nanu“, denkt Semmelweis, „ich dachte, es gäbe keine Zauberinnen. Bei Gott, die Nässe ist aber schlimm. Ich geh doch lieber in die Scheune. Vielleicht krieg ich etwas Wesentliches, z.B. einen Remy Martin.“ „Der letzte Bus ist schon fort. Mein Mops heißt Claudius und ist ein Poltergeist. Nein, hier gibt es kein Telephon. Aber ziehen Sie doch ruhig ihre Jacke aus. Mein Gott, sie ist ja ganz naß. Oh, das ist bloß mein Heiligenschein. Komm, gib mir einen Kuß.“ Semmelweis, der einen Sarg aus Nussbaum entdeckt und dem sein Instinkt sagt, daß darinnen er selbst als Mumie liegt, stürzt mit dem Kopf zuerst in eine Schubkarre und mit einem Bumm auf die Chaussee, das war nur eine Sekunde.

 

Nemo, auch er ein Slawe, der Laufbursche Thusneldens und ihr Koch, seit dem Mittag in der Küche, kam grad mit seinem Maultier und seinem Bernhardiner und sieht diese Eintagsfliege. „Aus dem Weg, du Motte.“ „Einem Nylonstrumpf schwört ich Treue. Als Katholik lieg ich jetzt auf der Nase, der Lehm ist kalt, der Nebel dicht. Kein Hinweisschild zeigt mir mein Utopia, meine Taufe, mein Naschkätzchen.“ „Über die Taufe will ich von dir nichts hören, du Jude. Aber was Nylonstrümpfe betrifft, da bin ich Fachmann. Ich kannt einst eine Kammerzofe aus Antwerpen, eine Heilige im Bett. Ihr Befehl machte mich zum Rüden, ihre Raffinesse machte mich zum Orpheus. Laß also jetzt das Weinen und komm mit mir ins Bett.“ Semmelweis bekommt einen gewaltigen Schreck und gibt sich einen Ruck und läuft weg. Seine Suche beginnt von vorn. „Da bin ich doch zwischen eine Spinne und einen Luchs geraten! Wie viel lieber wär ich doch jetzt beim Lohengrin als hier unter Hexen, die nur immer ihren Schabernack mit mir treiben.“ Da sieht er tatsächlich einen Luchs, der hinter einem Hünengrab verschwindet, welches von Spinnenweben überzogen ist. „Das muß in mein Tagebuch, das ist ja zum Lachen.“ So besinnt sich Semmelweis, daß er doch ein braver Katholik ist und ein Deutscher.

 

Hagenbeck war im Nebel unterwegs, mit einer Tasse voll Puffbohnen in der Tasche, um nach Bisons zu jagen, die damals ja noch frei herumliefen, als Beute der Ulanen. So begegnet er Semmelweis, zwei Wissenschaftler machen sich bekannt und tauschen Autogramme. Hagenbeck gibt dem armen Semmelweis etwas Milch mit Soja. „Ist gut gegen Katarrh.“ Und Semmelweis: „Gibt es dazu auch etwas Honig? Das wär gut für den Haarwuchs und gegen den Hohlfuß.“ Worauf Hagenbeck sein Monokel aufsetzte, um über die Neandertaler zu reden, die in den Vogesen gesehen worden waren und die dort wie Teufel vom Himmel gefallen seien. „Sie haben Nasen wie Pumas und wohnen in Lehmhütten an Bächen. Sie kommen aus Algerien und vom Nil und ernähren sich von Tannenzapfen und Tausendfüßlern. Zu gern macht ich aus ihnen einen Aufmarsch. Ich kleidete sie als Liktoren oder Beduinen. Ihre Lederhaut schützt sie übrigens gegen den Matsch wie Büffel.“ Vor Wonne streicht sich Hagenbeck den Spitzbart wie ein Türke und fährt fort wie ein Rohrspatz. „Der findet ja gar kein Ende“, denkt Semmelweis, „sein Zustand ist bedenklich, ich diagnostiziere Jagdfieber.“ Und laut: „Sie sollten etwas Aldi-Tee mit Zimt zu sich nehmen, vielleicht auch etwas Morphium. Jagdfieber kann leicht den Tod herbeiführen. Der Zimt muß aber vorher durch einen Trichter aus Tannenholz...“

 

Jacqueline war mit ihrem Teddy ebenfalls hinter unserer Dame hergelaufen, ihren Schoppen ließ sie stehen und nahm den Bus, für den sie eine Wochenkarte besaß. An jenem Hohlweg stieg sie aus, weil einige Leute ihr gesagt hatten, daß dort bei den Ascheimern am leichtesten ein Beweis zu finden sei, wohin die Madame Luise, die sie suche, gegangen sein mochte. Jacqueline steigt also aus und macht erst einmal eine Teepause mittels ihres Gaskochers, der einen Docht aus Leder hat. „Die Helden aus Deutschland“, so spricht sie halblaut, „sind wie Wölfe im Dickicht. Wie Tiere werden sie von den MG-Salven getötet. Der Schlieffenplan erfordert eine zu hohe Geschwindigkeit und eine zu große Tiefe.“ Melancholie überkommt sie und so schaut sie in das Tal und sieht ein Licht und hat die Illusion der Aufführung einer Rhapsodie. Aber da sieht sie eine Spinne, die eine Puffbohne aus dem Abfall unter alten Lappen hervorzerrt. „Ob es hier Büffel gibt? In den Vogesen sollen viele Morde geschehen sein von merkwürdigen Liliputanern, auch in Neuwied. Memmen flüchten sich aufs Dach, wenn die Meldung kommt, daß die Elstern nervös sind.“ Aber auch Jacqueline ist die Geschichte nicht geheuer. Sie nimmt ihren Rucksack, denkt an ihren Paten und geht. Aber halt: Bewegt sich dort nicht ein Wolf? Oder ist das ein Mulatte?“

 

Als  Fips der Affe kam aus einem Mohnfeld Thusnelda, sie suchte einen Nachtisch. Aus der Tiefe des Lärchenwaldes schleppt sie eine Fibel, schon voller Schimmel, gewickelt in ein Handtuch. Nun macht Fips Männchen vor Jacqueline und zeigt ihr seinen Pimmel, der ist wie ein Meißel. „Die Fibel bring ich aus dem Wald, ich klaute sie einer Hexe. Das Schreiben in der Nässe ist für den Arsch. Ich hab kein Geld. Wenn Du mir aber hilfst, hab ich einen Nylonstrumpf für Dich, er ist zwar etwas voller Pisse, aber sonst noch recht gut. Die Hexe trägt solche in ihrem Bett. Ich bitt Dich, sei Du meine Lehrerin.“ Fips schaut, während er das sagt, auf ihre Hüfte und Jacqueline denkt „Aha, ein Rüde.“ „Und warum gehst Du denn nicht zur Schule?“ „Ein Erbgeschäft“, sagt Fips, „hielt mich auf. Außerdem hab ich keinen Füllfederhalter, er fiel mir in Portsmouth von der Achterbahn hinab in den Schmutz, in den Kot. Kein Witz: Ein Engländer mit einem Spazierstock packt ihn in Watte und übergab ihn einem Bobby, und ich traut mich nicht ran, denn der war ein richtiger Rambo und trug einen Säbel.“ „Und wie kommst Du hier nach Bonn?“ „Mit der Aurora und einem VW, oder vielmehr auf seiner Planke.“ „Du hast Glück, denn ich bin Katholikin und so nehm ich Dich als meinen Infant.“ „Ein gutes Investment“, sagt Fips und schielt nach ihrem Busen, in Liebe zu dieser Nymphe entbrannt.

 

Doch plötzlich erscheint Nemo aus dem nämlichen Mohnfeld, wo er von einem Hochsitz aus alles gesehen. Er macht einen Buckel. Im Nebel wirkt der Buckel wie ein Tentakel und Jacqueline überkommt ein Zweifel und ein Horror und sie schreit nach ihrer Mama. „Gib mir eine Locke, so geh ich zurück ins Mohnfeld und zeig sie meinen Schlangen.“ Und zu Fips: „Die Raffinesse, mit der Du Deinen Pimmel schwenkst wie eine Fahne, lehrt Dich wohl der Mabuse. Und doch bist Du nur ein kleiner Teddy.“ Wie einen Bumerang wirft darauf Fips den Nylonstrumpf um den Buckel Nemos, um seine Rache zu kühlen, und schon liegt dieser im Matsch, seine Jacke voll Moos. Zwar kämpft er wie ein Löwe , doch vergeblich. Der Matsch dringt ihm wie Säure in die Adern. „Nimm dies als Hinweis, daß man eine Dame nicht beleidigt. Auch ohne Waffe werf ich Dich ins Moos. Und nun zurück ins Mohnfeld, sonst steck ich Dich in den Sumpf.“ „Mein Winnetou“, ruft Jacqueline, „steck nur den Räuber recht tief in den Sumpf und mach ihn zu Gulasch.“ Und: „Ach zeig mir jetzt doch gern Deine Fibel, nicht wahr, sie kommt doch aus dem Wald? Ich will Dir helfen und fordre auch kein Honorar. Aber sag mir, verstehst Du Dich etwa auf Magie? Du bist ja schier eine Rarität!“ Da zieht Fips seinen Degen und zeigt ihr die Zähne und zieht sie direkt in sein Bett, das er im Mohnfeld für diese Geschichte hingehext, und lässt sie dort liegen und entfernt sich mit Lachen.

 

Der Teufel kam grad aus Spanien und sah die Magie und saust herab wie in Komet. Das Hörrohr, das ihn bei seiner Reise über die Massengräber begleitet, legt er auf ein Kissen. Es sieht aus wie ein Korkenzieher und hat einen Schieber. So kann er bis Indien und Dänemark alles hören. Er selbst hat einen Stachel, mit dem er sich am Bett festmacht. „Ich bin der Meister aller Nazis und komme aus Memphis. Aus Zimt ist dort die Wüste.“ Tatsächlich ist er auf einem Teppich in großer Geschwindigkeit von Indien hergeflogen zu dieser Tussi, deren Tod er nicht wollte. Ihr Zustand, oh Horror,  oh Panne, ist bedenklich. „In Bombay, in Indien hörte ich Dein Leid. Jetzt bist Du mein Schatz“ spricht der Teufel und macht eine Fratze wie Nero. „Was ist das für ein sonderbares Hörrohr?“ fragt Jacqueline, „es hat ja ein Fell.“ Aber der Teufel vollzieht nun den Beischlaf ganz ohne Magie. „Schachmatt!“ und sie verliert das Bewusstsein. „Die Impfung gegen die Bibel macht sie zu einer Nonne Wischnus, zu einem Ferment der Kopflosigkeit. Das Mädchen mit dem Namen einer Lolita laß ich jetzt allein in der Nacht.“ Und schon ist er fort nach Helvetien.

 

Der heilige Antonius, der dies gehört, kam wie ein Meteor zu dieser Horrorszene, als alles vorbei. Er singt ihr eine Ballade, die Geschichte von einem König im Schneesturm, dessen Arm von einem Hammer zertrümmert. „Folge dem Rat dieser Fibel und etwas Moos, das ist wie Ambrosia und stillt Deinen Schweiß. Der Schrecken dieser Nacht geht sehr auf die Nieren. Wie Mörder nahen Tausendfüßler und Kakerlaken aus dem Mohnfeld, aus der Nacht.“ Damit nahm Antonius unsre Jacqueline auf seinen Buckel und trug sie über Wasser, wie eine Invalide zu einer Sakristei, denn dies war sein Motto. Dort heilt er ihr Fieber und lässt ihr ein paar Taler: Horror und Tod sind verschwunden, Zorn und Rache im Winde verflogen, das Mohnfeld vergessen. „Was machst Du denn hier? Ich dachte, Du schaust den Lohengrin.“ Wie eine Göttin erscheint vor ihr Mata Hari, wie eine Schneeflocke. „Laß uns zurück zur Stadt, deren Silhouette selbst in der Nacht noch sichtbar. Zwar ist die Lohengrinaufführung schon vorbei, aber was soll`s.“ „Mein Engel, der Tod erwartet mich dort. Ich versteck mich zunächst in der Hochschule.“ „Ich komm mit Dir, denn hier im Sumpf fürchte ich alle Objekte.“ 

 

 

 

 

 

 

 

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Fortsetzung folgt

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